In der modernen Galenik achtet man seit Jahren darauf, dass es in Rezepturen nicht mehr zu Mehrverordnungen von Wirkstoffen (> 3 Stoffe/Rezeptur) kommt. Der Grund liegt auf der Hand! Man möchte in erster Linie erreichen, dass die Wirkstoffe und Hilfsstoffe untereinander kompatibel sind und deren Stabilität durch „Wirkstoff-Mitbewerber“ nicht beeinträchtigt wird.
Was heißt das im Einzelnen?
Mit der letzten Aktualisierung der ApBetrO im Jahre 2011 wurde ein besonderes Augenmerk auf die Plausibilitätsprüfung gelegt. Denn man hatte durch wissenschaftliche Untersuchungen in den vorangegangenen Jahren festgestellt, dass sich Wirk- und Hilfsstoffe in Rezepturen nicht immer so gut „vertragen“.
Denn bestimmte molekulare Eigenschaften der Wirk- und Hilfsstoffe führen dazu, dass spezielle Verbindungen entstehen. So verbinden sich zum Beispiel Stoffe, die als Kation auftreten hervorragend mit einem Anion oder phenolische Verbindungen wollen gerne Wasserstoff-Brückenbindungen mit nichtionischen Tensiden bauen. Beide Beispiele führen dazu, dass die Wirkung der einzelnen Bestandteile nachlässt oder völlig rausgenommen werden.
Diese wichtigen Erkenntnisse sind und waren ein Meilenstein in der pharmazeutischen Rezeptur bzw. in der Galenik.
Hinzu kommt, dass man festgestellt hat, dass die meisten Wirkstoffe eine „Wohlfühl-Area“ benötigen, damit diese ihre volle Wirkung entfalten können. Diese Stoffe benötigen einen ganz bestimmten pH-Bereich, der manchmal eingestellt werden muss, damit diese auch den Patienten bei den unterschiedlichsten Indikationen helfen können. Und wenn man weiß, dass diese Bereiche teilweise sehr engmaschig sind kann man sich vorstellen, dass es eine Herausforderung sein kann, verschiedene Wirkstoffe mit unterschiedlichen Wohlfühl-Bereichen zusammen in einer pharmazeutischen Grundlage zu verarbeiten.
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„Hormon-Rezepturen – Fertigarzneimittel oder Individual-Rezeptur?“
Und zwar so, dass sie alle ihre Arbeit tun können. Das ist nicht immer möglich, dann muss ein Wirkstoff oder müssen mehrere Wirkstoffe leider gehen und getrennt in einer anderen Rezeptur verarbeitet werden.
Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viele Rezepturen vor diesen wissenschaftlichen Errungenschaften nur einen Placebo-Effekt hatten, da man noch nicht das Wissen hatte, genau die o.a. Herausforderungen zu hinterleuchten.
Und ich betone es gerne noch einmal, wie unendlich wichtig es war, dieses Wissen in die Galenik einfließen zu lassen… ein Quantensprung in der pharmazeutischen Galenik. Die älteste überlieferte Rezeptesammlung stammt von den Sumerern in Mesopotamien um 3000 vor Christus, d.h. sie ist heute also rund 5000 Jahre alt. Und um es nochmal auf die Spitze zu treiben: nach etwa 5.000 Jahren hat es die Menschheit endlich geschafft Wirkstoffe und Hilfsstoffe so in einer Rezeptur zu verarbeiten, dass diese auch wirklich ihre Wirkung entfalten können.
Und dies gilt selbstverständlich auch für die Welt der Anti-Aging-Rezepturen, egal ob bei der ästhetischen Anwendung oder bei der Herstellung von Rezepturen im Rahmen einer transdermalen Hormon-Ersatz-Therapie. Schaut man ca. 20 Jahre zurück, dann sahen solche Rezepturen so aus:
Rohstoff | Menge |
---|---|
Progesteron löslich | 2,0 |
Pregnenolon | 2,0 |
17-alpha-Östradiol | 0,1 |
Melatonin | 0,6 |
Ascorbinsäure | 1,0 |
DMSO | 65,0 |
Propylenenglykol | 10,0 |
Isopropylalkohol | 10,0 |
Aqua purificata | ad 100,0 |
Heute völlig undenkbar, denn beim Herstellen kann keiner abschätzen, wie, ob und wie viel der Stoffe tatsächlich beim Patienten oder Kunden ankommen. So viele Stoffe konkurrieren darum in einem Gel oder in einer Creme ihren stabilen Platz zu finden und um Ihre Wirkung zum Beispiel auf der Haut zu entfalten. Das kann nicht gut gehen! Deshalb empfiehlt es sich nicht mehr als 3 Wirkstoff einzusetzen, besser wäre es auf sämtliche mitbewerbenden Wirkstoffe zu verzichten, um die optimale Wirkung beim Einsatz ohne Störfaktoren zu erzielen.
Und es gibt glücklicherweise noch mehr Errungenschaften, die die Wirksamkeit der Stoffe verbessert oder potenziert
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„Alles Wissenswerte zu Liposomen“
So werden zum Beispiel bei Hormon-Rezepturen bestimmte Transport-Systeme in den Rezepturen genutzt, um die Hormone tief in die Haut dringen zu lassen oder eine Depot-Wirkung zu entfalten. Dabei handelt es sich um Liposomen.
Liposomen sind kleine Lipidvehikel, die mit einer wässrigen Innenphase gefüllt sind, in einer wässrigen Außenphase schweben und nach außen durch die Lipid-Membran abgegrenzt werden. Sie können mit Rohstoffen beladen werden, d.h. in ihrer Membran transportieren sie fettlösliche, im Kugelinneren wasserlösliche Stoffe tiefer in die Hautschichten und fungieren so als Wirkstoffdepot. Der Metabolismus der Liposomen bzw. die Penetration durch die Haut erfolgt auf natürlichem Wege über die Lysosomen.
Eine weitere Möglichkeit bietet die Kombination aus Schwammkollagen und Liposomen, wie man es in der pharmazeutischen Grundlage Vesigel® findet. Als Kolloidgel kann Schwammkollagen beim pH-Wert der Haut große Mengen verschiedener Wirkstoffe binden und zusammen mit den Liposomen durch die Haut transportieren. Dies ist für die effiziente transdermale Applikation und Therapie (z. B. mit bio-identischen Hormonen) entscheidend.
Entscheidend für den Erfolg einer Rezeptur ist selbstverständlich auch die Auswahl einer geeigneten Grundlage, denn diese entscheidet auch über die Stabilität der Wirkstoffe und letztendlich darüber, wie und ob diese wirken.
In der Welt der Hormon-Rezepturen wird u.a. die Audor®-Gelgrundlage verwendet, da diese seit Jahrzehnten erprobt ist, nur wenige Inhaltsstoffe besitzt und somit kaum Inkompatibilitäten zu erwarten sind. Lediglich kationische Wirkstoffe können mit der Audor®-Gelgrundlage nicht verarbeitet werden, da es sich um ein anionisches Gel handelt. Vor allem findet diese Gelgrundlage auch dann ihren Einsatz, wenn es sich lediglich um die topische Anwendung von Hormonen handelt, wie zum Beispiel der Einsatz von Progesteron zur Faltenbekämpfung.
Des Weiteren hat man die Möglichkeit mit dem Vesigel®-System die Hormone in die Blutbahn zu bringen. Vesigel® ist eine Gelgrundlage, die sich unserer Haut entsprechend aus dem Kollagen eines essbaren Mittelmeerschwamms (Chondrosia reniformis), Lecithin- und Fettliposomen zusammensetzt. Als Kolloidgel kann Schwammkollagen beim pH-Wert der Haut große Mengen verschiedener Wirkstoffe binden und zusammen mit den Liposomen durch die Haut transportieren.
Dies ist für die effiziente transdermale Applikation und Therapie (z.B. mit bio-identischen Hormonen) entscheidend. Bei Vesigel® handelt es sich um ein Zweikomponentensystem. Das Vesigel® Compact: eine Grundlage aus Liposomen und Schwammkollagen-Partikeln zur Einarbeitung von Wirkstoffen, und dem Vesigel® Dilutor: eine Gelgrundlage zur Einstellung der gewünschten Wirkstoffkonzentration.
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„Vesigel® – die innovative pharmazeutische Grundlage“
Zur Durchführung der transdermalen Applikation können beide Systeme (Liposomen plus Audor®-Gelgrundlage oder Vesigel®) genutzt werden, beide Transportvehikel bringen die Hormone erfolgreich in den Blutkreislauf, damit der Patient mit der Menge an Hormonen versorgt wird, die er benötigt. Zu beiden Systemen liegen ausreichend Rezepturbeispiele vor, die Sie in unserer Rezepturmappe finden.
Fazit:
Augen auf bei der Plausibilitätsprüfung und mit darauf achten, dass vom Verordner nicht zu viele Komponenten oder Wirkstoffe in einer pharmazeutischen Grundlage mit validem Analysenzertifikat eingearbeitet werden.
Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß beim Herstellen der Rezepturen und bei weiteren Fragen zu diesem Thema und anderen Bereichen hinsichtlich der Anti-Aging-Thematik stehe ich Ihnen jeder Zeit im Rahmen der Rezepturhilfe zur Verfügung!
Ihr
Dr. Stefan Bär
Unsere Rezepturmappe enthält bewährte und innovative Rezepturvorschläge aus der Welt der medizinischen Kosmetik und der Anti-Aging-Welt.
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